26.11.2012 – Der Fortschritt im europäischen Krisengeschehen offenbart Einblicke ins EU-Getriebe und die Positionen der beteiligten Staaten. Alle sind glühende Europäer, verfolgen aber rigoros ihre nationalen Interessen. Was geht ab auf dem Finanzparkett und warum vermehren sich eigentlich immerzu die Schulden. Hier die Zusammenfassung von FAQs unter dem Eindruck divergierender Machtkonstellationen.
Es gibt viele Mutmaßungen, wer oder was die Krise ausgelöst hat. Ein Glaubenssatz hält sich bis heute in den Talkshows und Zeitungskommentaren: Gierige Bank-Trader haben immer riskantere Finanzprodukte geschnürt und damit die Weltwirtschaft aus dem Gleichgewicht gebracht. Sind Banker auch die Totengräber des Euro?
Nicht wirklich. Banker mögen gierig nach Geld sein, auf jeden Fall sind sie phantasie- und trickreich in punkto Geldvermehrung. Diesen Auftrag übernehmen sie, das ist ihr Job und jeder erwartet, dass sie den gut machen. Niemand will Geld verlieren. Das wäre auch der Zusammenbruch der Marktwirtschaft. Jedem Angebot fehlt der Stachel, jeder Verkauf wird überflüssig. Ohne Rendite bewegen sich nur sehr wenige Rädchen. Selbst wirtschaftsferne Idealisten bekommen zu spüren, dass brachliegendes Geld nutzlos ist und unterm Kopfkissen immer wertloser wird. Ordentliche Geschäfte brauchen Kredit und ohne Hypothekendarlehen gibt es keine Häuslebauer. Auch Künstler oder ein Symphonieorchester benötigen Geldgeber, um ihre Kunst ausüben zu können. Mit fällt überhaupt kein Lebenszusammenhang ein, der da rausfällt. Selbst das Verliebtsein in ideelle Werte setzt den Zwang zum Gelderwerb nicht außer Vollzug. Making Money ist angesagt, sonst fällt man als Looser unangenehm auf. Die Bankenrettung aus der Anfangsphase der Krise und die fortlaufende Stützung der Institute unterstreicht ja die grundsätzliche Bedeutung der Geld- und Kreditwirtschaft für den Fortbestand des Gemeinwesens. Insofern sind Banken kein Bestattungsunternehmen.
Aber Banken oder deren Zweckgesellschaften akkumulieren doch letztlich die Schulden bis hin zur Zahlungsunfähigkeit …
Wenn Trader, die ihrem Arbeitgeber ein paar Milliarden Verlust eingebracht haben aus dem Verkehr gezogen werden, ist das wirklich nicht das Ende der Krise. Intensive Geldschiebereien sind eigentlich nur die Begleiterscheinung, die allenfalls zeigt, welche Summen für Arbitragegeschäfte mobilisiert werden. Im High-Frequency-Trading lässt sich das sogar auf Computer mit dafür geeigneten Algorithmen übertragen. Schwächeln die Geschäfte und fallen die Kurse fangen Banker an gegen den Euro zu spekulieren. Fallende Kurse lassen sich eben auch zu Geld machen. Allerdings beruht das dann auf Misstrauen gegenüber der Währung und der Vertrauensverlust entsteht nicht aus dem Nichts. Das macht die Sache so kompliziert. Es sind tatsächlich die Banken, die ihre vermehrungswirksamen Euro-Geschäfte an einen Punkt getrieben haben, der Misstrauen hervorruft: Es zirkulieren Berge von Wertpapieren und Finanzkontrakten, die zusammengenommen die tatsächlich vorhandenen Vermögenswerte um ein vielfaches übersteigen. Letztendlich sind solche Finanzaktiva nur behaupteter Reichtum, ihrem Gehalt nach aber nur Versprechen auf Gewinn oder – im Fall verbriefter Hypotheken – forderungsbesicherte Schulden.
Das aber ist doch genau die Grube, in die das Finanzgewerbe selbst stolpert, wenn sie ihre Geschäfte mit allerlei Verbriefungstechniken ständig erweitern und letztlich nur noch heisse Luft verkaufen oder in ihren Büchern als Aktiva bilanzieren.
Heisse Luft ist in dem Geschäft immer dabei. Da können Gerüchte die Kurse in Bewegung bringen, ein Branchenpromi macht Andeutungen in einem Interview oder Regierungsverantwortliche denken laut nach. Das alles löst Kurs- und damit Wertschwankungen aus. Man müsste jetzt etwas tiefer in die ökonomischen Zusammenhänge einsteigen und klären, wie Geldschöpfung aus sich heraus funktioniert und Schulden als Hebel für die Geldvermehrung eingesetzt werden. Auf jeden Fall will jeder, der im Geldhandel unterwegs ist seinen Schnitt machen, dafür kriegen Banker ihr Gehalt und auch die Boni für besonders gelungene Abschlüsse. Die Frage bleibt, warum aus diesen Geldgeschäften weltweit Schulden in Billionenhöhe entstehen. Das liegt sicher nicht an ein paar entgleisten Bankmanagern, die strukturierte Finanzprodukte betrügerisch am Markt plaziert haben.
Die Schadensbilanzen von Madoff & Co summieren sich schnell mal auf zig Milliarden …
Natürlich spiegeln sich Verluste irgendwann in den Bilanzen wieder. Was in den Bücher steht hat aber mit der Wirklichkeit nur wenig zu tun. Erst einmal machen Finanzmanager Geschäfte mit handelbaren Produkten und zwar so lange wie sie Käufer dafür finden. Einmal direkt im Auftrag ihrer Anleger sodann auch als Anbieter strukturierter Finanzprodukte aller Art sowie im Kreditgeschäft. Auf dieser Basis erweitern sie ihr Geschäft, ziehen selbst Kredit, um damit vielversprechende Geschäfte am Kapitalmarkt zu finanzieren oder sich zu refinanzieren. Wenn die Madoffs daraus eine persönliche Bereicherungsmaschine machen und jahrelang per Schneeballsystem Anleger reinlegen ist das ein dreister Regelverstoß. Bei Madoff summierten sich zum Zeitpunkt seiner Verhaftung die verzockten Geldsummen auf rund 50 Milliarden Euro. Es ist natürlich die Höhe des veruntreuten Geldes, was den Mann zu Fall brachte. Ohne Finanzkrise würde das Madoffsche Geldkarussell einfach weiterdrehen. Was ist aber, wenn ein Hedgefondsmanager in einer Woche aus einer Million fünzig Millionen macht, alles ganz legal abwickelt und seine zehn Prozent einbehält? Da haben auch einige schwer verloren. Aus Sicht der Ökonomen ist hier aber ein sehr effizientes Finanzgeschäft über die Bühne gegangen, riskant vielleicht, aber erfolgreich im Ergebnis.